Identität oder selbstgewählte Eigenschaft?

Wer von uns würde gern auf seine BDSM-Neigung verzichten, im Tausch gegen ein konventionelleres Sexualleben, sofern es ihn genauso erfüllt - um dann vielleicht Selbstzweifel, ob er denn normal sei und Angst, dass andere nicht wissen dürften, worauf er steht, los zu sein - oder Schwierigkeiten durch die Notwendigkeit, diese Art der Sexualität zu leben, niemals erfahren zu haben?
Schon die Frage, erscheint als Verrat an der Sache. Die selbstbewusste Anerkennung der eigenen Sexualität, die Selbstakzeptanz scheint dadurch nicht so selbstverständlich wie wir gerne tun.
Wählt man, statt der Sexualität die Eigenschaft Haarfarbe, könnte mancher Rothaarige ein Lied davon singen, wie oft er sich in der Kindheit gewünscht hatte, keine roten Haare zu haben. Da der Wunsch nicht in Erfüllung ging, musste die Person damit umgehen, einer Minderheit anzugehören. Und dieser Umgang mag sie auch geprägt haben - Verständnis dafür zu haben, bedeutet nicht, rote Haare abzulehnen...
Unzufriedenheit mit einer Eigenschaft, die man sich nicht gewählt hat, ist kein Zeichen, dass die Eigenschaft falsch ist, sondern nur, dass man sie sich nicht gewählt hat, nicht wählen konnte.
Wie hat uns der Umgang mit unserer Neigung geprägt? Wollten wir es je anders, oder würden wir es auch jetzt noch anders wollen? Haben wir die Vorliebe auf BDSM selbst gewählt, oder konnten wir nicht anders, als sie wahrzunehmen, zu akzeptieren und möglichst lieben zu lernen?

Sollten erfreulicherweise mehr als 10 Personen kommen, wechseln wir vom kostenfreien Nebenraum in der Gastwirtschaft, in den etwas größeren (mit Zugang über den Hintereingang) legen dann aber die Raummiete gemeinsam zusammen (pro Nase, ca. 4,50,- Euro)

Wer vor allem etwas essen will, sollte nach Möglichkeit eine Stunde früher erscheinen, damit gehäufte Bestellungen den Gesprächsverlauf nicht zu sehr beeinträchtigen.

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Rückschau

Vier Gesprächskreisteilnehmer trafen sich am letzten Freitag im März, für einen umso intensiveren Austausch darüber, ob sie ihre Neigung als Bestandteil ihrer Identität oder selbstgewählte Eigenschaft empfinden. Bei der ersten Runde der Stellungnahmen konnte eine Teilnehmerin nur sehr schwer zwischen den Aspekten Identität oder selbstgewählte Eigenschaft unterscheiden, weil sie ihre sadomasochistischen Neigungen als zu ihr gehörig empfindet. Dennoch waren ihr erfolglose Versuche, sie loszuwerden und zu unterdrücken, wie auch die Notwendigkeit, damit umzugehen bekannt.
Der sich ihr anschließende Teilnehmer berichtete, dass ihm seine Neigungen seit seiner Adoleszenz bekannt waren. Seinem Eindruck nach hatte dies die Entwicklung eines "normalen" Sexuallebens blockiert. Lange hatte er an der Berechtigung dieser Eigenschaft gezweifelt und wollte diesen Teil seiner Identität verleugnen, was jedoch nicht funktionierte - und ihm psychosomatische Beschwerden einbrachte. Erst während einer Reha in einer psychosomatischen Klinik vor einigen Monaten, hatte er den Anstoß bekommen, dazu zu stehen- und sich darüber gewundert, wie tolerant Leute aus seiner dortigen Therapiegruppe reagierten.
Eine weitere Teilnehmerin kannte sadomasochistische Bedürfnisse nicht als eigene, festgelegte Neigung - war mit dieser jedoch über ihren Partner konfrontiert. Bei ihr selbst ging es im Bereich der Sexualität eher um missbräuchliche Strukturen, die sie in ihrer Sozialisation in und außerhalb ihrer Familie erlebt habe.
Ein weiterer Teilnehmer fand sich vor allem in den ersten beiden Statements wieder, hatte auch er nur mit Mühe im Alter über zwanzig seine Bedürfnisse akzeptiert, nachdem er zuvor aufgrund seiner sehr christlichen Sozialisation eher Erklärungen dafür im Bereich einer Besessenheit und nach der Auseinandersetzung mit Psycho-Sozialen Studieninhalten - zumindest irdisch erklärbarer - im Rahmen eines psychischen Defektes vermutet hatte. Erst die Inanspruchnahme, entsprechender Fachinhalte und die Reflexion seiner Klienten, sowie ein Gespräch mit einer Dozentin mit therapeutischer Ausbildung, hatte ihm ermöglicht, seine Neigungen zu akzeptieren.
Doch wie hat diese Situation das Beziehungsverhalten der Anwesenden geprägt? Von seiner Angst, beim Beginn von Beziehungen, diese Neigung Partnerinnen zu gestehen, weil diese ihn ablehnen könnten, berichtete ein Teilnehmer dann. In seiner Vorstellung habe er so den Umgang mit seinen Neigungen katastrofiert. Es gäbe eine physische Nacktheit; von intimen, tabuisierten Bedürfnissen zu sprechen, entspräche jedoch einer gesteigerten Art, psychischer Nacktheit, die sehr verletzlich machte. Eine Erfahrung, die auch der andere männliche, anwesende Teilnehmer kannte - er hatte sich einerseits immer vorgestellt, dass ihm aufgrund seines potentiellen Doppellebens später seine Familie und Beziehung um die Ohren fliegen würde - was dann auch ohne Doppelleben so eingetreten ist. Allerdings hatte er sich auch vorgestellt, dass Frauen, die auf die entsprechenden Bedürfnisse eingehen können, eher oberflächlich, unreflektiert und skrupellos "versaut" wären - eine Art indirekte, aber klare Selbstentwertung seiner Vorlieben, die in seiner Vorstellung offenbar kaum innerhalb einer Liebesbeziehung auslebbar waren. Eine der weiblichen Anwesenden berichtete davon, dass sie ihre Bedürfnisse in der Pubertät kaum benennen konnte. Dennoch habe sie unter ihrem eigenen Verhalten gelitten: kaum strebte sie feste Beziehungen an, suchte eher nach kurzfristigen Beziehungen zu dominanten Männern. Im Nachhinein wertet sie ihr eigenes Verhalten als Suche nach - nicht einvernehmlicher, verdeckter - Demütigung, was an sich mit ihren Neigungen korrelierte. Auch für sie kam die Frage, wie ihre Neigungen in eine romantische, schöne Beziehungssituation eingegliedert werden könnten, nicht auf. Platonische Beziehungen und Gegenüber zum Reden und intensiven Austausch, hatte sie dabei genug. Die Welten konnte sie jedoch nicht zusammenbringen. All dies habe sicher keinen guten Effekt für ihre Selbstwertschätzung gehabt. Später, bis in ihre heutige Ehe-Situation, in der Sie ihre Neigungen offen, jedoch außerhalb ihrer Ehe auslebt, hätte sich das sich wiederholende Dilemma abgezeichnet: Es gibt zwar jemand, der mich liebt, aber meine Neigungen entsprechend dieser Beziehung nicht teilt. Eine andere Teilnehmerin konnte den Focus auf sadomasochistische Neigungen hier lösen, da auch sie die Erfahrung gemacht hatte, dass sie ihr mangelndes Selbstwertgefühl in ihrer Jugend und Adoleszenz mit flüchtigen, sexuellen Beziehungen kompensieren wollte. Aus diesem Grund bezweifelte sie, dass sog. "Vanillas" sich hier grundsätzlich unterscheiden.
Machen Sadomasochisten sich an diesem Punkt etwas vor, in dem sie sich als Opfer gesellschaftlicher Diskriminierung stilisieren und ein etwas elitäres Gehabe ableiten, in der Überzeugung, dass sie größere Probleme als ihre Mitbürger hätten? Obwohl es sinnvoll ist, auf das Gefahr einer Selbststigmatisierung von Personen mit BDSM-Neigung hinzuweisen, musste dennoch festgestellt werden, dass die Weltgesundheitsorganisation erst im Juni 2018 (vor 5 Jahren) Sadomasochismus aus der internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) gestrichen hat - womit auf einen Schlag alle Sadomasochisten zumindest formal geheilt wurden.
Die Tatsache, dass Sadomasochismus zuvor Krankheitswert beigemessen bekam - auch wenn aufgeklärte Therapeuten dies zunehmend anders sahen - ist zweifellos Teil eines Stigmatisierungs- und Diskriminierungsmechanismus und der Tabuisierung. Dass Sadomasochisten zudem selbst klar ist, dass sie Dinge, wie Schmerz, Demütigung oder Hilflosigkeit erotisieren können, die gemeinhin kaum in einvernehmlicher Form angestrebt, sondern gemieden werden, gibt dem subjektiven Erleben Betroffener, anders als der Rest der Menschheit zu sein, eine andere Qualität.
Springender Punkt, merkte ein Anwesender an, sei für ihn hier, die Fähigkeit, sich seiner Bedürfnisse klar zu werden. [Ein Bewusstseinsschritt, der viele Sadomasochisten zudem vom Durchschnitt der sexuell aktiven Bevölkerung unterscheiden könnte - Anm. d. Autors]. Das Große Thema sei "Selbstakzeptanz" und die Spannung zwischen der Angst vor Ablehnung und der Fähigkeit, die Ablehnung akzeptieren zu können ohne sich in seiner Selbstakzeptanz stören zu lassen.
Auch wenn "Vanillas" es hier leichter hätten, sich nicht entfremdet, sondern der Menschheit zugehörig zu fühlen, hätten Sadomasochisten die Möglichkeit, ihr Anderssein (das alle menschlichen Individuen betrifft) früher zu entdecken.
Zudem wirft die Reflexion, ob die Prägung durch das Bewusstsein, über sadomasochistische Neigungen (oder Fähigkeiten?) zu verfügen die Frage auf, ob es gesünder ist (wenn "gesund" nicht mit dem ohnehin Begriff der "Normalität" gleichgesetzt werden soll), durch die Befolgung von Konventionen ein Sexualleben zu entwickeln und nicht zu merken, was das eigene, besonders wichtige Bedürfnis ist, oder sich dessen bewusst zu sein, jedoch sich darum daran gehindert sehen, durch das Befolgen von Konventionen ein sogenanntes (durchschnitts-)"normales" Sexualleben zu entwickeln?
Gegenüber den Biographien der Anwesenden hat sich für jüngere Mitbürger ein gesellschaftlicher Wandel durch das breite Medienangebot, vor allem durch das Internet, ergeben. Hier können Informationen und Ansprechpartner gefunden werden, in einem Ausmaß, wie es bis zur Erfindung des Internets kaum möglich war, was die Reflexion eigener Bedürfnisse sicher erleichtert (obwohl dies unter Jugendschutzaspekten ja oft eher kritisch betrachtet wird).
Die Frage, ob sie es anders wollten, wurde von den Anwesenden unterschiedlich beantwortet: Früher schon, jetzt allerdings nicht mehrmeinte einer. Es entspricht seinem Naturell, die Neigung wollte er nicht mehr hergeben. Auch eine andere fand die Situation so gut, wie sie aktuell ist. Sie fühlte sich mit sich im Reinen - wenngleich sie es auch ab und zu mühsam findet, ihr außerhäusiges Spiel aus Rücksicht auf die Beziehung ihres Spielpartners ständig koordinieren zu müssen. Idealer wäre für sie immer noch, wenn alles unter einem Dach statt fände. Auch ein weiterer Anwesender fand die Integration seiner Neigungen in seine Beziehung zu einer Partnerin, die SM zwar einiges abgewinnen konnte, jedoch nicht in dem Maße wie er selbst "Sadomasochistin" ist, so mühsam, dass er schon überlegt, ob sein Beziehungsleben ohne diese Neigungen nicht entspannter wäre. Außerhäusiges Spiel käme für ihn jedoch nicht in Frage, weil er, wenn er schon seine Fantasien ganz zulassen könnte, dann auch sehr intensive Aspekte wie 27/4 oder "Total-Power-Exchange" ausleben wollte, was bedeutete, dass er ganz seinem dominanten Gegenüber gehören wollte, wodurch sich zwangsläufig eine Verlagerung des Schwerpunkts der Beziehung ergeben würde. Von Einer Anwesenden wurde hier in Frage gestellt, ob diese Romantisierung von BDSM nicht gerade zu hohe Ansprüche nach sich zöge - wobei sein Empfinden war, dass ja gerade die Romantisierung von Sexualität in eine romantische Beziehung gehöre und diese Vorwärts treibe. Natürlich wünscht sich hier jeder Perfektion oder das Ideal. Die Spannung zwischen dem Gewünschten und Vorhandenen auszuhalten, mache die Beziehung erst aus. So, wie manche Frauen auf den Weißen Prinz auf dem Schimmel warten, zu hoffen, dass jemand kommt und einen errettet, muss dabei dennoch zu Enttäuschungen führen. Die Frage ist, wie wichtig ist mir der Aspekt "Sadomasochismus" in meinem Leben und wie nähre ich diesen Aspekt, kommentierte eine Anwesende. Die Antwort darauf kann nur individuell gegeben werden.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 31.03.2023
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

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