Wer macht mich los, wenn mein Dom vom Blitz getroffen wird?

Niemand findet Schmerzen, Orientierungs- oder Hilflosigkeit erstrebenswert - außer Sadomasochisten, sofern dies im richtigen Kontext statt findet. Nur so zu tun, als wäre man Hilflos oder als würde etwas sich seltsam, befremdlich oder schmerzhaft anfühlen, ist dann albern. Wird, ganz im Gegenteil, doch versucht, die Erfahrung zu verfeinern und zu steigern - ins lang andauernde, ins wirklich ausbruchssichere oder quälende.
Objektiv betrachtet können dies alles gefährliche Situationen sein. Paradoxerweise bieten einschlägige Händler dann auch die gepolsterten Manschetten an oder den Käfig, der einen längeren Aufenthalt erträglich macht. Leiden und leiden lassen, sodass es unerotisch wird, wollen wir nicht - und schon gar nicht Leib und Leben oder langfristige Schädigungen riskieren.
Nicht nur im autoerotischen Spiel, kann die angestrebte Hilflosigkeit zu gefährlichen Situationen führen. Auch in der Zweisamkeit, kann die oder der Aktive ein plötzliches Gesundheitsproblem bekommen, das ihn davon abhält, sein Schein-Opfer zu befreien - und dies betrifft nicht nur die alten Hasen unter Sadomasochisten. Welche Möglichkeiten gibt es, hier für Sicherheit zu sorgen, ohne dass die Situation doch zu gespielt wirkt? Wer macht mich frei, wenn mein Dom vom Blitz getroffen wird?

Wir freuen uns sehr, dass ein BDSM-Szene-Bewanderter der sich unter anderem auch in nationalen und internationalen Normungsgremien mit Themen der Sicherheit, Risk-Assessment und Risk-Mitigation befasst, bereit ist, über diese Themen mit uns ins Gespräch zu kommen.

Wer vor allem etwas essen will, sollte nach Möglichkeit eine Stunde früher erscheinen, damit gehäufte Bestellungen den Gesprächsverlauf nicht zu sehr beeinträchtigen.

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Rückschau

Beinahe ein halbes Dutzend an BDSM interessierte Teilnehmer trafen sich am letzten Freitag im September um sich über Risiken und Sicherheiten bei einschlägigen erotischen Interaktionen zu unterhalten.
Die kleine Runde ermöglichte ein intensives Gespräch und ein ausgiebiges Warming-Up mit dem extra aus dem Großraum München angereisten, BDSM-Erfahrenen und beruflich mit Sicherheitsfragen vertrauten Gast. In der Einstiegsrunde wurde nach Erfahrungen rund um das Thema Sicherheit im BDSM-Kontext gefragt. Ein Teilnehmer konnte von einer Beinahe-Panik-Attacke berichten, als er in einem bequemen, guten, allerdings ausbruchssicheren Gurtsystem, das er sich selbst extra anfertigen lassen hatte, bequem, regungslos und ausbruchssicher von seiner Partnerin fixiert wurde. Gerade weil alles seiner Vorstellung entsprechend gut funktionierte, beschlich ihn latente Unruhe, was passierte, wenn seiner Partnerin etwas zustoßen würde und er sich nicht mehr befreien konnte. Seine Partnerin kannte entsprechende Erfahrungen auch aus den Anfangszeiten, als sie ihn Spread-Eagled auf das Bett fixiert hatte und die Wohnung "nur kurz" zum Einkaufen verlassen hatte. Gedanken, was passieren könnte, wenn sein Kreislauf absacke, ausgelöst durch eine Panikattacke oder einen Hustenanfall usw... ließen sie ihren Schritt immer wieder beschleunigen, mit Bedenken, ihren Partner im Falle eines nicht vorhersehbaren Unglücks doch nicht mehr ansprechbar, oder gar leblos auf dem Bett vorzufinden.
Dass selbst eine stehende, fast hängende, Fixierung auch mittels Panikhaken bedenklich sein könnte, zeigte eine Rückfrage des Gastes, wer schon einmal versucht habe einen Panik-Karabiner unter schwerer Last zu öffnen. Durch Reibung an der Hülse, die das Öffnen des Karabiners ermöglicht, kann es tatsächlich schwer sein diesen zu öffnen. Beim Einsatz von Masken, so andere Beispiele, stelle sich regelmäßig die Frage, wieviel Luft der Betreffende doch bekommt. Selbst wenn diese grundsätzlich ausreicht: reicht diese auch bei schnellerer Atemfrequenz, sofern doch Angstgefühle aufkommen, aus?
Eine Anwesende, die selbst im Rettungswesen arbeitete, kannte die Bedenken, weil sie natürlich im Notfall nicht von ihren eigenen Berufskollegen in einer intimen Situation vorgefunden werden wollte, weshalb Sicherheit für sie ein besonderes Augenmerk hatte.
Eine Teilnehmerin berichtete von Aktionen mit ihrem Spielpartner, der selbst als Feuerwehrmann mit Sicherheitsaspekten so gut vertraut ist, dass ihr seine Hinweise schon fast zu den Ohren heraus kämen. Panikattacken habe sie noch keine gehabt, jedoch bei Fixierungen mit den Armen über dem Kopf sacke ihr regelmäßig der Kreislauf weg. Das Thema sei für sie interessant, weil sich ja die Frage stelle: welche Sicherheit ist notwendig, damit sich alle beteiligten sicher fühlen.
Der zum Thema geladene Gast berichtete bei seinem Einstieg gleich, dass es darum ginge, Gefahren zu erkennen, und mit den sich aus diesen ergebenden Risiken um zu gehen, also das Risiko auf ein akzeptables Maß zu verringern oder wie es ist zu akzeptieren. Bei den erwähnten Panikhaken gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, mit sehr feinem Schleifpapier, soweit zugänglich, die Innenseite der Hülse so zu bearbeiten, dass die Reibung die sich bei Zugbelastung verstärkt, vermindert wird. Vorsicht sei jedoch geboten, wenn mittels einer zu groben Feile usw... die Situation verschlimmert wird, in dem die Oberfläche statt geglättet, noch mehr aufgeraut wird.
Eigene Erfahrungen auf dem Gebiet des SM habe er auch im Bereich Self-Bondage, wobei hier ja klar sei, dass man selbst für seine Sicherheit verantwortlich ist. Dennoch stelle sich dieser Bereich als der mit den höchsten Risiken heraus. Vorkehrungen aus dem Self-Bondage-Kontext die die Risiken minimieren, ließen sich natürlich auch auf das Spiel zu zweit anwenden.
Wichtig sei, zuerst einmal Gefahren zu identifizieren und deren Risiko zu benennen: Was kann passieren? Wie wahrscheinlich ist es, dass das passiert? Wie schlimm sind die Folgen? Was kann ich tun um zu verhindern, dass etwas passiert oder zumindest die Folgen zu mindern? Ist das verbleibende Risiko akzeptabel? Für diese Analyse übertrug er seine Erfahrungen aus dem beruflichen Kontext als Ingenieur auf die BDSM-Situation.
Letztlich erläuterte er, dass sich das klassische Safe, Sane und Consensual (SSC) sich schnell in Luft auflöst - zumindest in einer absoluten Form, wie es manche BDSMler mit Katalogen von Anforderungen und Ausschlusskriterien fordern. Denn wenn es schon im alltäglichen Leben keine hundertprozentige Sicherheit gibt, warum solle es diese dann im Bereich BDSM geben? Für den Flugverkehr würde 1 Toter pro 2 Mio Passagierbeförderungen als akzeptables Risiko gelten. Betrachtet man die Passagierzahlen des Flughafen München, mit 40 - 50 Mio Passagieren im Jahr, wäre es für die Luftfahrtindustrie noch nicht besorgniserregend, wenn davon ca. 25 Passagiere im Jahr tödlich verunglückten. Sofern allerdings ein Flugzeug allein eine Kapazität von 300 Passagieren habe, reiche hier schon ein Absturz in 10 Jahren, um auf die besorgniserregende Zahl zu kommen. Auch im Straßenverkehr, im Haushalt, am Arbeitsplatz ist absolute Sicherheit eine Illusion.
Es gibt also Risiken, die man sich eingestehen muss. Für ihn war dann das Format RACK (Risk-Aware-Consensual-Kink) die Leitlinie im BDSM. Dabei sei klar, dass es auch in der Industrie keine universelle Norm gibt, wie man Risiken beurteilt, vielmehr muss diese Beurteilung an den Kontext (hier BDSM) angepasst werden. An diesem Punkt kam es zu einer kurzen Diskussion, ob SSC nicht als naiver, grober Ehrencodex entstanden ist, um darzustellen, dass es bei Sadomasochismus eben nicht um bewusste Schädigung des Gegenübers geht.
Schon bei der Herstellung von Zubehör muss man überlegen, wie Risiken vermieden werden können. Hinzu kommen Hinweise an den Endbenutzer, wie er mit dem Gegenstand umgehen muss ("Den Fön nicht in der Badewanne betreiben"). Hier kann der Hersteller schlichtweg nicht ausschließen, dass es Leute gibt, die das dann dennoch tun.
Das Risiko kann im Prinzip für jede identifizierte Gefahr nach folgender vereinfachter Formel ermittelt werden: Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadenshöhe / Vermeidungsmaßnahmen = Risiko(zahl ).
Allgemein und natürlich auch bezogen auf SM ist es schlichtweg kaum möglich alle Gefahren-Situationen zu benennen sind, bei denen relevante Risiken auftreten können. Exemplarisch kamen in der Diskussion einige Gefahren zur Sprache:

. Ein Knoten beim Bondage kann zu fest sein (sodass auch beim Selbstbondage die Hände so taub werden, dass man sich nicht selbst befreien kann), es kann dadurch auch eine Unterversorgung auftreten (die eine Nervenschädigung nach sich zieht).
. Es kann bei einer Selbstbondage ein Feuer ausbrechen. (Ein Ladegerät überhitzt und gerät in Brand, es gibt einen Kurzschluss... ein Windstoß weht eine Serviette auf das vergessene Teelicht...)
. Es kommt zu Luftnot durch das Halsband, das sich erst so schön eng angefühlt hat, jetzt aber stört.
. Der Aktive stolpert ungeschickt, schlägt sich beim Fallen den Kopf an, verletzt sich nicht stark aber wacht erst nach 60 Minuten Bewusstlosigkeit wieder auf (als der Passive durch seine Panikattacke bereits zu viel Luft unter der Maske verbraucht hat)
. Der Aktive bekommt Herzinfarkt, Schlaganfall oder Ähnliches...

Da bei allen SMigen Aktivitäten die Psyche einen sehr großen Einfluss hat, sind diejenigen fein raus, die sich einfach im Kopfkino vorstellen können, regungslos auf dem Bett gefesselt zu sein, ohne, dass dies physikalisch der Fall ist. Allerdings nimmt wohl den meisten BDSMern eine nicht vorhandene, oder sehr lockere Fixierung einen Großteil des Vergnügens.
Es kam im Verlauf des Gesprächs auch zur Beschreibung einer gefährlichen Situation während des Parallel-Spielens zweier, bei der eine der an diesem Abend anwesenden, gerade noch einen Mitspieler zu Hilfe rufen konnte, weil ihr Partner, schön und ansprechend in einem Fesselrahmen stehend kunstvoll fixiert worden ist, aber so kurz ohnmächtig geworden war. Aufgrund sehr unterschiedlicher Körpergröße der Beteiligten hätte sie ihn, auch mit einem Messer oder eine Schere, alleine kaum aus dieser Situation befreien können. dank der Anwesenheit eines Mitspielers konnte sie ihn allerdings gut befreien.
Es stellte sich klar heraus, was vom Gast auch betont wurde, dass Spiele in der Gruppe immer sicherer sind, als Spiele zu zweit oder gar mit sich selbst. Die beste Risikovermeidung sei es schon, nicht allein zu spielen. Vorteilhaft kann auch hier der Besuch eines Studios sein, berichtete eine Anwesende, die bewusst, während des Spiels mit ihrem Partner, dort die Tür nicht abschloss. Ohnehin sei ja jeder wegen des selben hier - man müsse ja nichts erklären, darum mache es ja auch nichts, wenn jemand versehentlich die Tür öffnete. Im Notfall sei dann aber schneller Hilfe zu holen.
Relevant sei auch vor allem, so der Gast, die klare Kommunikation. Er selbst empfahl da auch die Verwendung des Ampelcodes, mit dem er gute Erfahrungen gemacht habe, weil "Gelb" hier nicht zu einer Situation führe, bei der sich alles in Luft auflöse.
Die Frage, wieviel die Risikovermeidung mir dann von dem Spaß nimmt, für den ich eigentlich die gesamte Situation mache, müsse sich dann jeder selbst stellen. Ausdrücklich warnte er vor beidem: diese Frage schön zu reden und sie zu verdrängen - allerdings auch davor, dass manches, was man sich als Schön und Lustvoll vorstellte, dann mal lieber gelassen wird, weil die Gefahr zu bewusst wird, worunter auch der Spaß leiden kann.
Kurz kam es an diesem Abend auch zu der Frage des Coverns, die vor allem bekannt ist als Schutz vor Übergriffen durch zu wenig bekannte Spielpartner, aber natürlich auch genutzt werden kann um Pannenrisiken abzufedern. Die beste Lösung kann hier sein, einen Bekannten zu informieren, damit dieser nach einer bestimmen Zeit anruft und - falls der Anruf nicht entgegen genommen wird- Rettungsdienste oder die Polizei informiert, oder sofern möglich, selbst vorbei schaut. Die schlechteste Form solch eines Covers, jedoch noch besser als nichts, kann es sein, eine eMail mit Übermittlungsverzögerung zu schreiben, die man vor dem Ablauf der Verzögerungszeit noch stoppen kann (und die sonst automatisch versendet wird). Problematisch kann hier allerdings die Frage sein, ob der covernde Empfänger, nachts um 01:00 Uhr, wenn die nicht zurückgerufene Mail versendet wurde, noch seine Emails liest... bzw. ob im Notfall dann auch noch eine weitere Wartezeit bis zum nächsten Vormittag um 10:00 Uhr möglich ist, bis der Empfänger den Notruf gelesen hat und dann noch reagieren kann, ohne nicht mehr als sterbliche Überreste vorzufinden. Entgegen der Rückschau von 28. Februar 2020 dürfte auch Alexa in der Lage sein, entsprechende Mails zu versenden oder zurück zu halten.
Als technisch versierter Mensch berichtete der Gast auch von eigenen Entwicklungen. Z.B. einen zeitgesteuerten Magneten, der den Schlüssel für ein Vorhänge-Schloss von der Decke fallen lässt wenn die geplante Spielzeit überschritten ist. Sofern diese beim Spiel zu zweit eingesetzt werden, könnte die mittels Zeitschalter eingestellte Spielzeit vom Aktiven immer wieder neu um einige Minuten nach hinten verschoben werden, sodass der Passive sich für die vom Aktiven immer wieder neu, einseitig bestimmte Zeit, wirklich in dessen Hand fühlt (sodass das Dilemma, zwischen dem erwünschten Gefühl, realer Hilflosigkeit des Passiven und der Möglichkeit, dass dieser sich bei einem schicksalhaften Unglück des Aktiven, nach einer festgelegten Zeit, sich dennoch befreien kann, zumindest annäherungswiese aufgelöst wird).
Ähnliche Sicherheitssysteme gibt es auch in einschlägigen Shops in Form von Eis- oder Zeitschlössern zu kaufen. Der Gast hielt die Eisschlösser für die wohl sicherste Methode; vorausgesetzt es ist im Spielbereich warm genug. Methoden bei denen das Opfer einen Schlüssel einsetzen muss setzen allerdings ein gewisses feinmotorisches Geschick und funktionierende Finger (also nicht taub geworden von bereits zu langer Fixierung) voraus.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 29.09.2023
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

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