Und wenn sie kommt, laufen wir nicht davon...

Viele Menschen mit sadomasochistischen Neigungen scheuen den Gang zur Beratung, weil sie fürchten, dort für krank oder abartig gehalten zu werden. Oder aber, sie trauen den BeraterInnen keine Kompetenz bei Paarproblemen zu, die durch unterschiedliche sexuelle Vorlieben der Partner hervorgerufen werden, sobald SM mit hineinspielt. Wer kann schon sagen, ob es die sadomasochistische Neigung oder die Abneigung gegen SM eines der Beziehungspartner ist, die ein Problem hervorruft. Kann hier eine Paarberatung vermitteln? Möglicherweise steht ja der Rat zur Trennung fest, sobald man sich outet, denken wohl viele Sadomasochisten. Über Ehe- und Beziehungsprobleme wird zwar viel geredet und geschrieben, doch Sadomasochismus wird höchstens in Life-Style Magazinen als, wenn schon nicht abartige, dann wenigstens prickelnd-exotische Spielart von Sexualität beschrieben. Wo bleibt SM in der Landschaft der Hilfsangebote außerhalb der Szene? Was geschieht, wenn eineR der Partner/-innen auf SM steht (egal in welcher Rolle) und die/der andere nicht? Wird dies von Seiten der Berater als ganz normaler Unterschied erotischer Vorlieben betrachtet, wie sie halt in jeder Beziehung vorkommen? Oder spielt Sadomasochismus in der Paarberatung gar keine Rolle, weil SMler sich gar nicht erst in eine Beratungsstelle trauen und darum die Erfahrung mit entsprechenden Problemlagen fehlt? In welcher Form widmen sich Beratungsinstitutionen Problemen von Sadomasochisten? Dr. Oranna Keller-Mannschreck, von Profamilia Waiblingen http://www.waiblingen.profa.de/team.shtml , wird an diesem Abend bei uns zu Gast sein, um Antworten zu den beim letzten Mal gesammelten Fragen zu geben und mit uns ins Gespräch zu kommen. (Wir sammeln wieder, um unserem Gast die Spesen zu ersetzen). Wie im April letzten Jahres, sind auch zu diesem Treffen Pressevertreter des Zeitungsverlages Waiblingen, sowie der Fellbacher Zeitung eingeladen. Auf die Notwendigkeit, das Diskretionsbedürfnis einzelner Teilnehmer zu beachten, wurden die Lokalreporter hingewiesen. Nach unseren guten Erfahrungen, können wir hierbei sicher von der notwendigen Sensibilität ausgehen.

Rückschau

10 SadomasochistInnen trafen sich am 29.09.06 im Gesprächskreis SundMehr in Kernen-Stetten. Nachdem beim letzten Treffen über Erfahrungen oder Vorurteile bezüglich Beratungsstellen gesprochen wurde, war diesmal Dr. Oranna Keller-Mannschreck, von Pro Familia Waiblingen (http://www.waiblingen.profa.de/index.shtml) zu Gast, um über ihre Arbeit zu berichten und Fragen zu beantworten. Eingeladen war zudem ein Vertreter der Fellbacher Zeitung, dessen Artikel in der folgenden Woche zu erwarten ist. Eine Beratung kann leidenden Menschen helfen sich von außen zu betrachten und den Blick auf das eigene Leben zu erweitern, um so eine andere Einstellung zu sich selbst zu gewinnen, meinte die Medizinerin, mit zusätzlicher Ausbildung zur Traumatherapeutin, sowie Ehe-, Familien-und Lebensberatung. Auf die Frage, wo die Suche nach Rat und Hilfe bei Laien, wie es in der SM-Szene weit verbreitet ist, ihre Grenzen hat, meinte sie, es wäre vermessen, zu sagen, dass Laien im Rahmen einer freundschaftlichen Beratung nicht helfen können. Dennoch haben professionelle Berater Techniken zur Verfügung, stehen selbst unter Supervision und sind im Falle einer Paarberatung neutral, oder sogar "allparteilich" - sie stehen auf der Seite beider Klienten, was bei guten Freunden ja möglicherweise eingeschränkt ist. "Oft geht es gar nicht darum als Berater etwas zu tun, sondern mit dem zu arbeiten, was der Klient mitbringt," erläuterte unser Gast. Dabei gäbe es keine Unterscheidung, welches Problem "dringlich genug" ist, um eine professionelle Beratung zu rechtfertigen. Ausschlaggebend sei einzig der individuelle Leidensdruck. Manche Menschen kommen mit Situationen klar, unter denen andere längst zusammen brechen. Wenn ein Problem jedoch als immer unlösbarer erscheint und eine dominante Stellung gegenüber anderen Lebensinhalten einzunehmen beginnt, kann Beratung angezeigt sein. Wer sich in seinem Alltag als besonders stark und erfolgreich erlebt, hat dann aber oft ein großes Problem, sich einzugestehen, dass er an einem Punkt seines Lebens nicht weiter kommt und Hilfe benötigt. Nehmen Schwangerschaftskonfliktberatungen zwar bei der Finanzierung einen großen Anteil ein, steht Pro Familia jedoch konzeptionell vor allem auch für allgemeine Sexual- und Lebensberatung als niederschwelliges Angebot zur Verfügung. Die Klientenbeiträge, die erhoben werden, werden dabei so niedrig gehalten, dass sie das Budget jedoch kaum abdecken können. Das führt jedoch auch oft dazu, dass die Verbindlichkeit der Klienten, im Vergleich zu einer Sitzung bei einem niedergelassenen Therapeuten, gering ist. Im Laufe des Abends entwickelte sich ein angeregtes Gespräch, zwischen Anwesenden und Gast, bei dem auch festgestellt wurde, dass Solidarisierung von Gleichgesinnten allein schon deswegen sinnvoll ist, um dem Gefühl des Anders-Seins zu begegnen. Die SM-Szene bietet die Plattform um andere "Gleichgesinnte" kennen zu lernen, Informationen auszutauschen und Hilfestellung zu geben. Dennoch besteht auch die Gefahr, dass vor allem Risiken oder negative Erfahrungen mit der Umgebung tradiert werden, im besten Willen, Hilfestellung zu geben, weil so der Eindruck entsteht, man könne sich nicht an Berater, außerhalb der Szene wenden. "Wenn SMer sich mehr Akzeptanz in der Gesellschaft wünschen, sollten sie auf die Gesellschaft zugehen. Dies ist tatsächlich der einzige Weg!" stellte die Familien und Lebensberaterin fest. Bei all dem ist diese in ihrer mehr als 15 jährigen Berufserfahrung noch nie in Kontakt mit dem Thema Sadomasochismus gekommen - abgesehen vom Kontakt zum Initiator von SundMehr vor mehr als zehn Jahren. Dabei könnte die Erfahrung, dass sie dort als gleichwertige Menschen - wie jeder Klient eben - behandelt werden, ja schon einen Schritt zur Hilfe darstellen. Die Angst davor, tabuisiert zu sein, mag manche SMer aber davon abhalten, den Weg in eine Beratungsstelle zu wagen, was dazu führt, dass sich dort dann auch keine Kompetenz entwickelt, weil kaum eine Institution außerhalb der Szene mit SM konfrontiert wird. Dabei muss der Berater nicht jedes Problem, über das er spricht selbst erfahren haben. Sofern Spezialwissen benötigt wird, lässt sich dieses auch recherchieren, was auch durchaus vorkomme. "Wenn ich über ein Schnitzel spreche, muss ich nicht selbst in der Pfanne gelegen haben" ergänzte ein Teilnehmer daraufhin drastisch und plakativ. Die Unkenntnis des Beraters kann sogar eine große Chance für den beraterischen Prozess darstellen, weil der Hilfesuchende so gezwungen ist, die Führung zu übernehmen, und seine "innere Landkarte" genau zu beschreiben. Auch bei manch anderen Themen käme es vor, dass man sich als Berater wundern könne, unter welchen Gefühlen manche Menschen leiden, weil diese für andere ganz alltäglich sind. Dennoch sei ihr klar, dass sie in einer Sitzung längst nicht alles berichtet bekäme, meine Fr. Keller-Mannschreck. Dies sei aber auch in Ordnung, denn es werde ja mit dem gearbeitet, was der Klient mitbringt und empathisch der Weg eingeschlagen, den der Klient eigentlich selbst gehen will. Das direktive Vorgeben einer Lösung bringe immer die Gefahr mit sich, dass der Klient kurz vor dem Ziel einen Rückzieher macht. Sinnvoller sei es immer, etwas langsamer als der Klient zu sein; je schneller der Klient voranschreite, desto stärker könnte es angeraten zu sein, zu bremsen. Zur Frage, was sei, wenn in einer Paartherapie einer der Partner etwas ganz anderes wolle, als der andere - in dem zum Beispiel einer auf SM steht, der andere absolut nicht - erläuterte unser Gast, dass Paarberatung keine Einzeltherapie zu zweit sei. Viel mehr ginge es um die suche nach Kompromissen und Moderation. Problematisch sei für das Gebiet der Sexualität, dass die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner eigentlich ein Erotikkiller sei: Lust lebt vom ungesteuerten, unkontrollierten - sich fallen lassen eben. Spannung läge darin, dass eigentlich jeder Raum für seine Fantasien und Sehnsüchte haben solle und diese Einbringen können muss - und dennoch gibt es Grenzen, die zwischen zwei Menschen einfach zu respektieren sind. Ihrer Einschätzung nach sei es aber bei starken Verwerfungen in der Partnerschaft, bezüglich sexueller Vorlieben (wie übrigens auch bei großen finanziellen Problemen) eher wahrscheinlich, dass die Beziehung schief geht.

Pressespiegel:

Fellbacher Zeitung, 04.10.2006 Artikel

Veranstaltungsdaten:

Datum: 29.09.2006
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort: TV-Heim, Am Sportplatz 4, 71394 Kernen-Stetten
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Erste Ausfahrt (Weinstadt/Endersbach) auf der B29 nach dem Teiler B14/B29 in Richtung Schorndorf, bzw. vorletzte vor der Zusammenführung B14/B29 in Richtung Stuttgart. Dann weiter Richtung Stetten / Esslingen halten.

Anfahrt von Esslingen:
Über Wäldenbronn Richtung Kernen-Stetten. Den Wegweisern „Diakonie Stetten“ und Sportplatz folgen. Haupteingang Diakonie und TV-Heim sind nicht weit voneinander entfernt. Parkplätze gibt es auch genug.