Fragensammlung: Schmerzwahrnehmung / Körperempfindung

Etablierte, abgebrühte SMer sind längst über die Frage nach ihrer Normalität hinaus und haben diese, stolz auf die Emanzipation vom gesellschaftlichen Anpassungsdruck, ad Acta gelegt, könnte man meinen. Normal ist es, anders und individuell zu sein, genau so zu sein, wie alle, genau das wäre abartig, pervers und unnatürlich. Dass wir mögen, was Andere gerne vermeiden, muss uns nicht mehr kümmern. Dennoch lohnt sich vielleicht, zu überlegen, wie pervers wir eigentlich sind. Vielleicht hilft die Suche nach Erklärung, wenn sie nicht dazu dienen soll, unser Anderssein verstehbar zu machen und uns so zu verändern, dass wir eher der Norm ähneln, auch dazu, uns selbst, unsere Wünsche, besser zu erkennen. Neugier ist immer gestattet, „…wer nicht fragt, bleibt dumm!“ heißt (oder hieß?) es darum schon im Titelsong der Sesamstraße. Schließlich untersucht schon die Wissenschaft das Phänomen, dass Masochisten in gewissen Situationen lieben, was sie bei anderen Gelegenheiten genauso fürchten, wie nicht-SMer: den Schmerz. Man interessiert sich dafür, ob man dieses Phänomen bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten nutzen kann. Gut, wir hätten das schon lange gewusst und vorgeschlagen, wenn man uns nur mal entspannt ernst nehmen würde… Was würden wir selbst denn gerne wissen, über Mechanismen oder Wirkungsweisen unserer Lust? Welche Erfahrungen würden wird denn gerne mal fachlich besser verstehen? Und vor allem: Welche Fragen würden wir dazu gerne dem offenen, nicht SMigen Psychologen stellen, der im Mai zu unserem Treffen erscheinen wird, um mit uns über die dann gesammelten Fragen zu sprechen?

Rückschau

23 Teilnehmer und Teilnehmerinnen trafen sich beim Gesprächskreis SundMehr am 29.04.11, wobei sich in der Vorstellungsrunde bereits herausstellte, dass nur ein Bruchteil wirklich daran interessiert war, sich über das Thema „wer nicht fragt bleibt dumm…“, der Fragensammlung für den Besuch eines Psychologen, auszutauschen. Die meisten kamen allein wegen der angenehmen Atmosphäre und um die anderen Besucher zu treffen oder zum ersten Mal an einer solchen Veranstaltung anwesend zu sein. Dennoch ergab sich, trotz der diesmal außergewöhnlich großen Runde, ein intensives Gespräch über Fragen, die man sich im Kontext zu SM stellen kann: warum tut in der einen Situation gut, was in der anderen unangenehm ist, war die Einstiegsfrage; eine Berührung, die in der einen Situation als erotisch erlebt wird, kann außerhalb eines intimen Rahmens bereits unangenehm sein. Jedoch gaben hier die Anwesenden bereits unterschiedliche Erfahrungen an, denn während bei den einen bereits das äußere Setting – Schlafzimmer oder Bushaltestelle – den Rahmen der Intimität absteckt, sehen andere hier verdeckte Möglichkeiten, die SM bietet, bei denen allein schon die erotische Qualität einer Berührung, oder Empfindung von der Person abhängt, die hier den Reiz ausübt. Genau hier ergab sich im weiteren Verlauf des Abends auch ein Knackpunkt, denn für einige konnte gerade die Intensität der Beziehung Hemmschuh dafür sein, sich in eine Situation fallen zu lassen: „je intensiver die Beziehung ist, desto zahmer der Dom“ war hier auf aktiver Seite ebenso bekannt, wie die angezogene Handbremse im Hinterkopf auf passiver Seite: „wie kann jemand, der mich liebt, mich so erniedrigend / demütigend / quälend behandeln, wie ich es wünsche?“ Eine Teilnehmerin berichtete von der Erfahrung, auch reinen Schmerz genießen zu können, wenn dieser z.B. bei einer Massage („Vorsicht, gleich tut’s weh!“) angekündigt wurde, ein anderer konnte differenzieren: sich aus Frust weh zu tun, wirke allein wie ein Ventil. Aus Lust, allein sich schmerzhaft zu stimulieren, konnte für den Moment ganz nett sein – nachhaltig aufbauend wirkte Schmerzhaftes jedoch für ihn nur im Kontext einer Beziehung, wenn er ihm, einvernehmlich, von einer anderen Person zugefügt wurde. Genauso unterschiedlich, wie die TeilnehmerInnen waren, wurden auch die Erfahrungen erlebt. Bei den einen konnte eine Steigerung, schmerzhafter Erfahrungen über einen Punkt hinaus bewirken, dass die oder der „Empfangende“ beginnt zu fliegen, für andere war es eher die emotionale Situation, die zum Abheben führt, was dann durch Schmerzempfindungen noch gesteigert werden kann. Spannend auch die Möglichkeit für die einen, durch SM dem Alltag zu entfliehen, sich zu regenerieren – während andere sich bereits durch Alltagsstress, in negativer Form, „gefesselt“ fühlten. Aus der Runde wurde hier der Verdacht geäußert, dass es einen Unterschied darstellt, ob der Stress eher emotionaler (durch Familie, Partnerschaft, Sorgen) oder beruflicher, struktureller Natur ist. Nicht auf einen einheitlichen Nenner gebracht werden konnte für die Anwesenden auch die Frage, warum einige eher Lust zum Rollenwechsel – dem Switchen – haben, andere sich eher festlegen, auf ihre Rollen. Könnten die – vor wenigen Jahren entdeckten – Spiegelneuronen eine Rolle spielen? Angesichts vieler problematischer Beziehungen, sowie –erfahrungen der Teilnehmer, kam auch die Frage auf: wenn SM angelernt sein sollte, kann es auch „abgelernt“ werden? Oder kann die Lust an der Erotisierung asynchroner Erfahrungen, beim Spiel mit Macht und Ohnmacht von jedem/-r erlernt werden? Oder gibt es doch das „SM-Gen“? Noch weitere Fragen wurden gesammelt (wie die Einordnung von SM nach ICD einzuschätzen ist, ab wann ein Verhalten noch als tolerabel, bzw. „gesund“ zu betrachten ist und ab wann als krankhaft eher davon abzuraten ist; wie ein Dom sich vor Selbstüberschätzung schützen kann), die eher in den Bereich der Psychotherapie führten, wobei klargestellt werden musste, dass unser Gast beim nächsten Treffen zwar Psychologe mit gesprächstherapeutischer Ausbildung ist, jedoch nicht als Therapeut und mit Kassenzulassung praktiziert. Dennoch sind wir auf die Antworten oder Gedanken gespannt, die unser Gast uns darauf geben kann.
Die Fragen im Einzelnen:
- Wie reagiert der Körper auf Schmerz?
- Warum machen mir Erfahrungen in einigen Situationen Spaß, in anderen nicht?
- Warum macht mich Schmerz, der von einer Person zugefügt wird manchmal geil, und warum manchmal nicht?
- Warum kann dies durch die positive Intensität der Beziehung (Liebe) begründet sein, und warum auch durch fehlende Beziehung? (Warum hemmt das Hirn in die eine Richtung wie auch in der anderen?)
- Gibt es Strategien um hier die Balance besser zu finden?
- Inwiefern „dürfen“ Psycho-Strategien angewandt werden und wann sollte man das lieber lassen?
- Ist die Erfahrung, bzw. Wirkung körperlichen Schmerzes genauso einzuordnen, wie die psychischer Schmerzen (Demütigung usw…)
- Warum macht Schmerz manchmal erotisch „geil“, wann törnt er ab? Und was ist mit dem „Dazwischen“? (Erregung durch Schmerz, ohne erotische Komponente).
- Ist SM eher angeboren oder erlernt?
- Gibt es das SM-Gen?
- Warum müssen sich manche erst auf eine Situation einstellen und warum reicht bei anderen ein einzelner Auslöser, um abzuheben?
- Warum kann Alltagsstress manchmal durch SM verdrängt werden? („Bös muss Bös vertreiben!“) und warum gelingt dies manchmal nicht (sodass Stress die Lust ablöscht)?
- Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen Berührung, Wahrnehmung und erotischer Lust (von zart bis hart)?
- Was passiert beim „Fliegen“ (= ekstatischer Zustand, über längeren Zeitraum hin)


Und natürlich die Klassiker:
- Ist SM krank?
- Ab wann sind SMige Wünsche krank, bzw. intolerabel (in ihrer Intensität)?
- Wie ist mit der Einschätzung (des Hausarztes) nach ICD umzugehen?
- Wie kann sich eine dominante Person vor Selbstüberschätzung schützen?

Veranstaltungsdaten:

Datum: 29.04.2011
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de