Stellung von Subs oder Tops: Wird in der Szene Unterwürfigkeit / Dominanz in die Realität übertragen?

Als im Frühjahr ein Politiker im vorgerückten Alter auf die eigentlich unverschämte Frage einer jungen, hübschen Journalistin, ob er denn nicht zu alt für den Job sei, mit Anspielungen auf deren Äußeres konterte, die in anderen Situationen als mehr oder weniger platter Anfang eines Flirts verstanden werden konnten, schwappte eine Debatte über Sexismus in der Gesellschaft über das Land. Heiß diskutiert wurde, ab wann eine Bemerkung über Geschlechtermerkmale oder die Attraktivität dazu dienen ein Machtverhältnis, eher zwischen Männern - in einflussreicher Position - und Frauen zu markieren. Mann kann es sich halt rausnehmen.
Vielleicht gibt es eine Analogie auch bezogen auf SM: Geht es manchem nicht vielleicht ähnlich, wenn es darum geht, sich bezüglich SM zu outen? Stecken nicht, neben der Angst als pervers oder abartig abgestempelt zu werden, Bedenken dahinter, dass man sich dumme Sprüche von unverständigen Kollegen anhören muss, die in unpassender Weise auf Devotheit oder Lust am Leiden anspielen?
Interessant wird es auch, wenn man manche flapsige Bemerkung unter SMern aufschnappt, wo gern mal witzelnd die SMige Rolle, sofern bekannt, eingeflochten wird, und sei es, dass die Sklaven beim Stammtisch ja notfalls knien können, wenn die Stühle ausgehen. ob der Witz noch in Ordnung ist oder eine Schwelle überschreitet, ab der die grundsätzlich auch jedem SMer eigene Würde verletzt zu werden droht, liegt da immer im Ohr des Empfängers und Hirn des Senders. Aber pusht nicht mancher auch gerne, angetörnt von seinen 24/7 Sehnsüchten, entsprechende Kommentare vor Anderen oder provoziert mancheR D(/u)om(/me) Mit-SMer gerne mal solche Sprüche, um seine eigene Rolle herauszukehren, sich darin sonnen zu können?
Sicher sollten wir untereinander, als "Insider" eine etwas höhere Sensibilität bei der Kommunikation über das Thema besitzen, als außenstehende Vanillas, die ihr Leben lang nur von Blümchensex träumen. Aber wird in der Szene Unterwürfigkeit / Dominanz nicht doch manchmal in die Realität übertragen? Ist uns das schon passiert - in dem wir andere so ansprachen oder so angesprochen wurden? Und falls ja: wie gehen wir damit um? Schnell weg, ins Loch kriechen oder sich entschuldigen (wenn einem der Spruch entfleuchte), sich behaupten und auf den Fauxpas hinweisen (wenn man der Adressat war) oder sich den Abend verderben lassen?

Rückschau

Zur Fragestellung, ob Subs und Tops in der BDSM-Szene eine unterschiedliche Stellung genießen oder erleiden, trafen sich 18 Besucher am 28.06.2013 im Gesprächskreis SundMehr. Erneut war der "harte Kern" der Teilnehmer ergänzt durch eine Reihe Erst- oder Zweitbesucher und -besucherinnen des Treffens.
In der Vorstellungsrunde flossen Erfahrungen aus aktuellen Coming-Out-Situationen im nicht-SMigen Umfeld, die von "OK, so bist du halt." bis "Du bist pervers und somit das größte Arschloch, dass es gibt." reichten und bei der gleichen Person neben Erfahrungen mit einer Spielpartnerin standen, wo Andeutungen der Rollenteilung durchaus in Alltagssituationen spaßig-lustvoll einflossen, bei gleichzeitiger Gewissheit, dass man sich letztlich als Mensch auf Augenhöhe begegnet; Zeichen von inszenierter, spielerischer Machtverschiebung, die sich von der Wirklichkeit unterscheidet.
Anderer berichteten von Situationen bei Partys oder innerhalb der Szene, wo man unter Freunden durchaus mal flapsige Andeutungen fallen lässt, die auf die bekannten erotischen Rollen anspielen. Die Vermutung wurde geäußert, dass eher jüngere Szenegänger mit ihrem Auftreten ihre meist dominante Rolle herauskehren. Ein postpubertäres, hormonell gesteuertes über-die-Stränge-schlagen?
Von seinen ersten Stammtischbesuchen in der Region berichtete ein neuer, hinzugezogener Teilnehmer, dass er im Verlauf eines ersten Gespräches gefragt wurde, ob er Sub wäre. Auf seine Verneinung kam die Antwort, dass dies verwundere, weil er "so nett" sei, was ja ein Beleg für herrschende Rollenklischees ist. Dass diese nicht auf die Szene begrenzt sind, machte die Erfahrung eines anderen Besuchers deutlich, der außerhalb dieser seine ersten Versuche machte, sadomasochistische, dominante Aspekte mit einer Partnerin abzusprechen, um sie in die Zweisamkeit einzubringen. "Du kannst das gar nicht, du bist viel zu lieb dafür", war die Antwort.
Die Fragestellung, welche Anteile der Persönlichkeit in sadomasochistische Verhaltensweisen einfließen, wurde von tangiert, als jemand meinte, dass doch relevant sei, ob devote, gegebenenfalls auch selbstschädigende Verhaltensweisen absichtlich oder unbewusst in die Versuche einfließen, SM irgendwie zum Ausdruck zu bringen. Kritisch sei hierbei das unbewusste und durchaus Indikation sich professionelle Hilfe zu suchen. Die Frage, ob eine erotische Erfahrung zwischen Menschen sehr umfassend, emotional ergreifen ist, reiche allein nicht aus, um zu entscheiden, ob ein Verhalten ungesund oder noch produktiv für eine Beziehung oder Persönlichkeitsentfaltung ist, denn auch beim Sti(nk-)no(-rmalem) Sex sei ja nicht jedes Erlebnis emotional enorm befriedigend.
Dass Klischees gerne von den Medien, und allen voran den privaten TV-Sendern widergekäut werden, wurde dann am Beispiel des einflussreichen Managers belegt, der sich von der Domina verhauen lässt, um auch mal zum Ausgleich seines psychischen Gleichgewichtes Ohnmächtigkeit zu erleben; was ja einer Übertragung real gewünschter Erfahrungen aus der Erotik in die Intimität widersprechen würde - es sei denn, er wolle sich auch als Manager gehäuft Ohnmächtig erleben, wodurch er andererseits wieder kaum ein erfolgreicher Manager sein dürfte. [Nachträglicher Hinweis: dieses Klischee scheint sich zur Zeit zu verschieben; vom Manager, hin zum abgestürzten Hartz IV-Empfänger der sich, mangels Erwerbsarbeit frei von beruflichen Zwängen der Außenwirkung, dennoch seine Perversität leistet und prima als Exot, mit süffisantem Kommentar aus dem Off vorgeführt werden kann.] Als das Gespräch dann weiter auf die Innensicht der SM-Szene kam, wurde berichtet von einer Domina, die eine Gespielin äußerst herablassend, gerade zu giftig behandelte, was eher den Eindruck von Stutenbissigkeit machte, als von einfließender Erotik. "Höchstens als sadomasochistisch maskierte Aggressivität" hätte man das bezeichnen können. "Profi Dominas haben eh alle eine Macke" meinte dann ein Besucher und ärgerte sich offen über die Aussage einer solchen "die Passiven wollen ja immer nur fliegen."
Situativ überzogenes Gehabe kommt auch in anderen Lebenssituationen vor, warf eine Teilnehmerin dann ein, was beim Fußballspiel über den Platz keifende Eltern deutlich machten, wobei die Frauen oft die schlimmsten seien. Sie wolle auch innerhalb der SM-Szene dem anderen primär als Mensch begegnen. Die Frage, Dom oder Sub sei, wäre ihr erst mal gar nicht so wichtig. Eine andere Anwesende berichtete dann jedoch von einem sexuellen Übergriff in BDSMiger Atmosphäre, der ihr noch lange zu schaffen machte. Die Frage kam auf, ob es sich nicht um ein Missverständnis gehandelt haben könnte, bei dem sich der Auslöser schlichtweg im Film vergriffen hatte - träumten je nach Situation manche Subs ja von Übergriffsartigen Erfahrungen und lehnten diese in anderen, je nach eigener Befindlichkeit, auch vehement ab. "Wer sich in der Szene bewegt, bewegt sich dort, wegen des Themas SM", wurde dann eingeworfen, wodurch sich dann das Gespräch einem gewissen Kulminationspunkt zu nähern schien. Wer stellt fest, welche Normen im Zwischenmenschlichen Kontakt noch gelten, wenn manche scheinbar ihrer Gültigkeit beraubt werden? "Oft sind Doms, die sich besonders Domig bewegen, oder Subs die mit ihrer Submissivität einen wahren Werbetanz aufführen anzutreffen."
Denn eine Grenzüberschreitung muss sich nicht allein auf körperlich spürbare Verhaltensweisen beziehen, sondern kann auch rein verbal stattfinden. Mit dominanten Aspekten im zwischenmenschlichen Umgang zu spielen, kann dann auch schnell real werden - aber unter Befreunden SMern auch abgegrenzt bleiben. Humorvoll wurde vom Beispiel berichtet, wie einer der anwesenden eher Dominanten unter der fachkundigen, professionellen Anleitung eines anderen Dom's, und dessen beruflicher Kompetenz, gemeinsam kniend - einen Teppich verlegten. Und keinem war die Zweckmäßige, aber in andere Situation demütigende Stellung peinlich. Ein allgemeines Problem sei es, ob SMer sich auf die jeweilige Rolle festlegten - welches allerdings dem allgemeinen menschlichen Bedürfnis nach Einordnung entspränge, ergänzte ein anderer. Schon im Alltag interessieren wir uns doch selten, wie der andere drauf ist. Sind wir, zum Beispiel, beim Bäcker, an der Supermarktkasse, noch fähig, den anderen als Mensch wahrzunehmen, soll er so überhaupt erscheinen? Doch auch unter Sadomasochisten kann schon die Frage, wer auf welcher Seite steht, bei einem Paar, dass an diesem Punkt gerade von Selbstzweifeln geplagt ist, durchaus irritierend wirken, stellte eine Besucherin hier fest.
Auf einem Stammtisch, an dem man sich eher in "zivil" trifft, statt in Fetischkleidung, wird die Begegnung, jenseits erotischer Rollen begünstigt. Dennoch, stellte sich erneut die Frage, ob es sich, bei einer plötzlichen Anspielung auf die erotische Rolle um eine Grenzüberschreitung handelt oder einen legitimen Genuss - was ja ähnlich bei der Sexismusdebatte im Frühjahr ständig hin und her diskutiert wurde. Nun berichtete ein Teilnehmer, sich bevorzugt in der Sub-Rolle bewegend, wie er vor einem Kühlschrank kniete, um diesen zur Reinigung auszuräumen. Ein anwesender und genauso beschäftigter männlicher Dom begann nun plötzlich ihn toppen zu wollen, was auf wenig Gegenliebe stieß. In Online-Communities, die bei der Diskussion ansonsten außen vor gelassen werden sollten, kämen gehäuft Beispiele zu Tage, wo Leute sich grenzüberschreitend verhalten oder im Schutz der Anonymität zumindest so geben. Fühlt man sich als SMer also doch stolz auf seine Rolle, als Dom? Schwierig war es dann, auseinander zu halten, wann eine Grenzüberschreitung einen Übergriff darstellt oder einen legitimen Genuss, auf dem Hintergrund eines SMigen Ambientes. Zu Recht wurde gewarnt, dieses als Legitimationsgrundlage zu verwenden, denn das gleiche dem Argument, mit dem früher manche zur Anzeige gebrachte Vergewaltigung richterlich vom Tisch gewischt wurde: "Wenn Sie sich so verhalten und anziehen, müssen Sie ja damit rechnen, dass dies andere provoziert. Also wollten Sie es ja!" Tatsächlich zeigt sich hier eine Gefahr innerhalb des Lebens, Fühlens und Denkens von SMern, der nur mit Sensibilität und Wachsamkeit zu begegnen ist, damit sich keine Grenzen verschieben, die unantastbar sind und bleiben müssen. "Ein Dom hat sich zurück zu halten, solange er den Sub nicht kennt" warnte ein selbst dominanter Besucher und berichtete aus seiner Erfahrung von Spielparties, mit klaren Codes, die gerade bei Anwesenheit und dadurch gewährleisteter Beobachtung mehrerer SMer verhindern können, dass submissive Anwesende als "Freiwild" betrachtet werden. Ohne klare Absprachen wird es auch umgekehrt schwierig, berichtete dann jemand, der es auch schon erlebt hatte, dass eine Spielpartnerin "Nein" sagte, und dabei "Ja" meinte.
Erneut ohne klare Antworten, die ein Richtig oder Falsch definieren, jedoch sicher mit geschärfter Sensibilität der Gesprächsteilnehmern wurde der thematische Teil dann beschlossen, mit der Klarstellung: Dass Rolle und Mensch sicher nicht voneinander zu trennen sind, aber eine Rolle den gesamten Menschen nicht definieren kann.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 28.06.2013
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, das Gasthaus befindet sich an der linken Straßenseite

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de