Sind wir nicht alle ein bisschen asexuell?

Interessanterweise scheint bei manchen Spielpartnerschaften der Spielpartner alles andere als austauschbar zu sein; scheinbar geht es um mehr als das erotische Spiel - aber geht es auch um Sex? "Nein" - sagen die einen, denn wir poppen nicht, "ja" die anderen, weil sie erotische Gefühle empfinden und diese selbstverständlich als Teil der Sexualität einordnen. Mancher Sadomasochist scheint gar nicht an Sexualität, wie sie konventionell verstanden wird, interessiert zu sein und liebt es dennoch gefesselt und stimuliert zu werden, sowie das Spiel mit Macht. Wen wundert's dass da die Partnersuche nicht leicht ist.
Dagegen mag beim Ringen um Quantität und Qualität der BDSM-Spielerei bei dem einen oder anderen Partner im Alltag der Vorwurf mit zu schwingen "Dir geht es ja gar nicht um mich - du willst nur, dass ich deinen Fetisch bediene". Meinen wir wirklich das Gegenüber oder nur die Klamotten, die Art des Umgangs, die bevorzugte Spielart, mit der wir auf unsere Weise "Liebe machen"?
Die Welt, wie wir sie zu kennen meinen, wird bunter. definiert. Auf der Homepage "asexuell.info" finden sich neben Erläuterungen der Begriffe asexuell, grey-sexuell und sexuell auch ein Selbsttest, sowie verschiedene psychologische Fachbeiträge. Doch auch asexuelle Menschen brauchen Nähe (die Seite verlinkt auch zu einer kommerziellen Partnerbörse - auch für Asexuelle). Warum nicht auch in Form von BDSM?
Wenn der Sub es lieben kann, zur Befriedung der Dom von jemandem anderen sexuell benutzt zu werden (obwohl er selbst keine Lust darauf hat), ist dies ein Zeichen von Asexualität? Was ist überhaupt Sexualität im Gegensatz zu Erotik?
Hat BDSM per se also immer etwas mit Sexualität zu tun? Oder wäre es auch entlastend, für manchen, der schon lange einen Partner sucht, zu sagen: ich bin halt asexuell und habe dennoch Lust auf BDSM! Können asexuell fühlende Menschen sich als selbstbewusster Bestandteil der BDSM-Szene empfinden, oder sind sie eine Minderheit in der Minderheit? Oder, wenn Sexualität nur mit Geschlechtsverkehr zur Sexualität wird oder zumindest erotische Gefühle und Bedürfnisse die Sexualität kennzeichnen, auch wenn sie ohne körperliche Verbindung auskommen... Sind wir nicht alle ein bisschen asexuell?
Auf eine spannende Diskussion zu einem sehr komplexen Thema, die sicher viele Anregungen beinhaltet und wenig klare Antworten ergibt, freuen wir uns jetzt schon.

Für dieses Treffen gilt:

- Bitte Anmelden über info@SundMehr.de. (Die Teilnahme an diesem Treffen ist leider noch auf 15 Personen begrenzt!)
- Die Adressen aller Teilnehmer müssen vom Wirt festgehalten werden. (Ohne Adressweitergabe ist leider keine Teilnahme möglich).
- Ein Abstand von 1,5m von Personen aus verschiedenen Haushalten muss eingehalten werden!
- Beim Betreten der Gaststätte muss eine Alltagsmaske getragen werden - die nur am Tisch sitzend abgelegt werden darf.
- Wir treffen uns im Nebenraum!
- Sollte es weitere Einschränkungen geben, wird uns der Wirt darauf hinweisen!

Wer vor allem etwas essen will, sollte nach Möglichkeit eine Stunde früher erscheinen, damit gehäufte Bestellungen den Gesprächsverlauf nicht zu sehr beeinträchtigen.

Bitte beobachtet die bekannte Mailingliste sofern es kurzfristige Änderungen gibt!

Rückschau

Zwölf Teilnehmer trafen sich am 25. September 2020 um sich im Gesprächskreis mit dem Thema "Asexualität" zu beschäftigen. Die Vorstellungsrunde wurde mit der Frage verbunden, ob die Anwesenden sich auch als etwas asexuell empfinden.
Das erste Paar in der Runde fand dies für sich überhaupt nicht passend. Vielleicht - je nach Definition - in manchen Aspekten, aber grundsätzlich eher nicht. Dagegen mehr, als ein wenig asexuell empfand sich der Anwesende, der mit zu den Themengebern zählte. Er interessiere sich nun für BDSM und Tantra, habe aber noch nie "klassischen Sex" gehabt. Erfolg bei der Partnersuche habe er sich inzwischen abgeschminkt, obwohl er - wie er auf Nachfrage zugab - sich doch eine solche grundsätzlich wünsche. Die nächsten Statements zum Thema waren für sich ebenfalls eher ablehnend, gegenüber der Identifikation mit Asexualität. Ein Anwesender, der beruflich auch beratend bezüglich Sexualität vor größeren Gruppen aufgetreten war und dort lange verkündet hatte, dass jeder Mensch ein sexuelles Wesen sei, bezweifelte dies inzwischen. Er persönlich könne sich ein Leben ohne Sex vorstellen, jedoch nicht ohne BDSM. Der Nächste in der Runde, nebst seiner Begleitung, fand seine Stellungnahme zu komplex, um sie jetzt zu schildern und wollte dies sich für das spätere Gespräch aufheben. Die folgenden Teilnehmer fanden sich erneut nicht asexuell, weil für sie Sexualität in irgend einer Weise ein fixes Thema sei, über das sie viel nachdenken und sprechen - ebenso bestand das letzte Statement daraus, dass ein Leben ohne Sex zwar denkbar, aber unschön sei - und Sex ohne BDSM-Elemente jedoch gänzlich unerfüllt, praktisch keinen Sex darstellte.
Um das Gespräch zu eröffnen wurde die Frage gestellt, was klassischer Sex ist, worauf eine Teilnehmerin erläuterte, Sex sei für sie, wenn sexuelle Gefühle, egal in welcher Ausprägung aufkämen. Sie hatte sich im Vorfeld mit dem Thema auseinander gesetzt und zitierte einen Wikipedia-Artikel , wonach Asexualität nicht die Abwesenheit einer Libido darstelle, sondern "...die Abwesenheit sexueller Anziehung gegenüber anderen, fehlendes Interesse an Sex oder ein nicht vorhandenes Verlangen danach" [siehe dort] und auch nicht mit dem Fehlen einer Libido zu verwechseln sei sowie, wie es später dort heißt, dennoch auch das spontane Auftreten einer sexuellen Erregung oder das Bedürfnis nach Masturbation beinhalten kann.
Als "klassische" Sexualität entstand im Umkehrschluss das Bild, einer auf Fortpflanzung ausgerichteten sexuellen Betätigung mit einem Partner, die vor allem Penetration zu beiderseitigem Lustgewinn beinhaltet, dem in der Tat das Sexualleben der Anwesenden kaum entsprach (womit also praktisch alle etwas asexuell wären). Dennoch schien diese Definition doch eher gesellschaftlichen Konventionen verpflichtet, bzw. oktroyiert zu sein. Das Ausleben von Sexualität kann sehr unterschiedlich sein, wurde festgestellt und diese Identifikation mit dieser Definition eher abgelehnt (warum soll Sex ohne Geschlechtsverkehr oder Masturbation und ohne feste Beziehung nicht auch Sexualität darstellen?)
Ein Anwesender steuerte hier einen Artikel des Spiegel-Magazins "bento" bei, in dem sogar erwähnt wird, dass viele asexuelle Personen Teil der Sex-Positive-Bewegung (siehe letztes Treffen ) sind, weil alle Menschen so viel Sex haben sollen, wie sie möchten (klar, dann auch keinen).
Gemäß all dieser Definitionen und Gedanken könnten sich viele Sadomasochisten unter Asexualität einordnen. Wenn nun aber doch sexuelle Gefühle erlebt werden, die vielleicht nicht mal auf einen Menschen, sondern auf einen Gegenstand - Fetisch - gerichtet sind, warum soll dies nicht sexuell sein?
Der Themengeber berichtete, dass er lange Jahre seines Lebens ohne Sexualität ausgekommen sei, ja nicht mal Masturbation für ihn ein Thema gewesen sei. Erst mit etwa 50 Jahren sei er auf das Thema BDSM gestoßen und interessiere sich nun natürlich für Sexualität und sexuelle Themen - doch sei ihm in der SM-Szene vieles zu klischeehaft.
Könnte dies nicht Folge eines zufälligen, sehr individuellen Entwicklungsprozesses sein, der nicht auf eine grundsätzliche (unveränderliche) Eigenschaft hindeutet? Ausschlaggebend muss ja sein, ob ein Mensch unter seiner Situation leidet - und wenn Sexualität nicht mal vermisst; was hilft dann dieses Einsortieren? Auch andere schilderten, dass sie - im Verhältnis zu anderen - Sexualität, in Form von Masturbation, erst sehr spät, vielleicht erst zufällig, entdeckt haben. Um zu wissen, dass - und was - man will, muss man es erst kennen. (Um zu entscheiden, ob ich lieber am Meer, im See oder Freibad bade, muss ich wissen, was das jeweilige ist - ich benötige immer einen Input von Außen.) Was man als Bedürfnis "braucht" hängt davon ab, was man biographisch kennengelernt hat.
Die Möglichkeit der Auswahl kann hier bestimmen, wie auch andere Probleme kreieren: Eine Teilnehmerin berichtete - von einem anderen Stammtisch - die Reflexion zweier junger Teilnehmer, sie hätten erst zu sich selbst gefunden, als sie ihren Pornokonsum eingeschränkt hätten. Sie sei davon ausgegangen, dass dieser im Alter von vielleicht 16 Jahren stattgefunden habe, doch die Teilnehmer berichteten: mit acht oder neun Jahren, auf dem Schulhof, in der Grundschule - wo von Smartphone zu Smartphone härteste Porno-Szenen hin- und hergeschickt wurden. Auch in der Fachpresse wird diskutiert, ob es einen Zusammenhang zwischen erektiler Dysfunktion (Impotenz) und intensivem Pornokonsum gibt.
Eine andere Frage ist, ob das Gefühl "asexuell" zu sein entsteht, weil man nicht den richtigen Gegenpart gefunden hat und man problemlos auf seine Sexualität verzichtet; also nicht im Sinne einer Abstinenz sich enthält, sondern das Bedürfnis verliert. Was hier Henne und was Ei ist, ob das Begehren bestimmt, dass versucht wird, ein Bedürfnis zu stillen, oder die Möglichkeit der Befriedigung erst das Bedürfnis schafft, ist fraglich. Sofern jedoch Bedürfnisse oder Gefühle sexueller Art entstehen, schien der Begriff der Asexualität vielen Anwesenden unangebracht - weil es sich ja um eine Art von Sexualität handelt. Sofern sexuelle Gefühle ganz ausblieben, könne der Begriff wiederum auch angebracht sein.
Angst, die sexuellen Bedürfnisse zu verlieren, schilderte eine Anwesende, bei den Berichten von Freundinnen, dass Sex nach den Wechseljahren für diese kein Thema mehr gewesen sei (was sie glücklicherweise anders erlebt habe). Auch andere bestätigten, ihre Angst, z.B. als Folge medikamentöser Nebenwirkungen einen Verlust der Libido zu erleben oder aufgrund von körperlichen Beschwerden eine Zeitlang kein Verlangen nach Sex gehabt zu haben. Es blieb dann die verzweifelte Hoffnung, dass wenigstens auch das Kopfkino nachlässt.
Doch wozu braucht Mensch diese immer kleineren Schubladen, die definieren, ob jemand fray-, invers-demi-, grey, demi-, pan- oder asexuell ist? Der Mainstream bildet die sogenannte Normalität ab, und wer seine Realität als anders erlebt kann sich einsam fühlen und stellt sich schnell die Warum-Frage. Da kann es entlastend sein, sich als Bestandteil einer größeren Gruppe zu fühlen, von Menschen, denen es ähnlich geht. Allerdings ist das Schwert zweischneidig, denn diese Selbstdefinition kann auch zu einer Selbststigmatisierung führen und das Gefühl verstärken, anders als alle anderen zu sein - das wiederum zu Leiden führt. Auch innerhalb der endlich gefundenen Peer-Group kann dies passieren, wie sich am Beispiel des Themengebers zeigte. Hatte er zeitweise einen Zugang zur Sexualität innerhalb der BDSM-Szene gefunden, stellte er hier erneut fest, vielen Klischees nicht zu entsprechen, worauf er sich wieder als anders empfand, weshalb er davon ausgeht, dass er vermutlich nie eine Beziehung haben wird. Tantra sei für ihn nun eine Hilfe, aufgrund des Grundgedankens der "Absichtslosigkeit".
Dies könnte einen Hinweis darauf geben, dass eine Hinterfragung des Umgangs mit "Absicht" oder "Wünschen / Bedürfnissen" der eigenen Person oder der von anderen, für Leute, denen es ähnlich geht, aufschlussreich wäre. Zumal offenbar für lange Zeit problemlos auf Wünsche und Absichten verzichtet wurde - und das Gefühl, welche haben zu sollen, zum Problem führt, während es bei anderen zum Problem wird, Wünsche zu haben und diese nicht erfüllt zu bekommen, oder die Befriedigung der Wünsche nicht zu erreichen... Eine sehr philosophische Frage danach, wie innere Balance hergestellt werden kann...
Am Ende lehnten viele Teilnehmer den Begriff der Asexualität für sich immer noch ab, selbst auch für andere, wobei dies nicht zu Ausgrenzung, sondern zu Integration führen sollte - niemandem soll seine Selbstdefinition genommen werden, wenn er damit glücklich ist. Als Fazit kann festgehalten werden, dass es auf Achtsamkeit gegenüber sich selbst und seinen Bedürfnissen, wie auch gegenüber Anderen ankommt, ohne Schublade und Abgrenzung.

Veranstaltungsdaten:

Datum: 25.09.2020
Uhrzeit 20:00 Uhr
Ort:
Anfahrt:

Anfahrt über B 14/B29:
Ausfahrt Fellbach-Süd, dann Richtung Kernen-Rommelshausen, nach der Ortseinfahrt (Kernen-Rommelshausen) im ersten Kreisverkehr rechts in die Waiblinger Straße einbiegen, diese macht dann einen Linkskurve, danach in die Hauptstraße rechts einbiegen (unmittelbar nach der Bäckerei), der Straße folgen, bis zum nächsten Kreisverkehr. In diesem rechts (erste Ausfahrt) Richtung "Alte Kelter, Sportanlagen, Kleingartenanlagen" in die Kelterstraße. Dieser ca. 650 m folgen, bis zum Sportplatz.

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmittel siehe Homepage der VVS

Kontakt: info@SundMehr.de